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DOI: 10.1055/s-0034-1387486
Krieg und Krankenmord 1939–1945
Die Tötung von Psychiatriepatienten durch SS und Wehrmacht in Polen und in der Sowjetunion
Das nationalsozialistische „Euthanasie“-Programm steht in einem engen Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Am 1. September 1939 begann die nationalsozialistische Führung nicht nur einen Krieg nach außen, sondern auch als ein Krieg nach innen gegen die ökonomisch „unbrauchbaren“ und als „rassisch und erbbiologisch minderwertig“ angesehenen Teile der Bevölkerung.
Der Vernichtungskrieg im Osten bot Gelegenheit, die industrielle Massentötung der Psychiatriepatienten auch im Deutschen Reich in bis dahin unvorstellbarem Ausmaß durchzuführen, zugleich gingen Einsatzgruppen und Wehrmacht unmittelbar nach der Besetzung polnischer und sowjetischer Gebiete gegen die wehrlosesten Mitglieder der Gesellschaft vor, getragen vom Gedanken der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Die polnischen und sowjetischen Psychiatriepatienten waren dabei in mehrfacher Hinsicht stigmatisiert als Angehörige der Feindnation, als nutzlose Esser und unter Umständen auch als Juden.
Die Patienten psychiatrischer Anstalten gehören in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen zu den besonders gefährdeten Gruppen der Gesellschaft. Im Ersten Weltkrieg erhielten sie keine ausreichende Ernährung. Im Zweiten Weltkrieg ermordeten deutsche Ärzte, Pflegepersonal, SS- und Wehrmachtseinheiten sie aus einem radikalisierten Nützlichkeitskalkül heraus.
Psychisch kranke und geistig behinderte Menschen als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft zu achten, zu schützen und ihr Überleben zu sichern, gehört zu den vornehmsten Aufgaben einer humanen Gesellschaft.
Publication History
Publication Date:
12 January 2015 (online)
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
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